Ein offener Brief an den Bürgermeister und die Räte und Rätinnen der Marktgemeinde Murnau

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Rätinnen und Räte,

tief enttäuscht sehen wir auf den Beschluss des Gemeinderates vom 22. Oktober, neben dem Versuch, das Bürgerbegehren dazu im Dezember im Keim zu ersticken und die Folgen von beidem.

Nicht der Beschluss an sich enttäuscht uns. Demokratisch getroffene Entscheidungen tragen wir mit. Doch die Art und Weise wie dieser Beschluss zustande kam, lässt uns irritiert zurück, und die Folgen erfüllen uns mit Sorge.

Viele Menschen haben über Jahre mit viel Engagement und in mehreren 1000 Stunden Arbeitszeit dieses Projekt vorangebracht. Immer wieder wurde es durch den Gemeinderat bestärkt (Beschluss der Nutzwertanalyse und des Rates vom Dezember 2023). Für sie alle ist die Ablehnung ein Tiefschlag und die Enttäuschung ist immens. Uns irritiert, dass im Vorfeld keiner der Gemeinderäte, die gegen das Bürgerhaus gestimmt haben, auf die Initiative zugegangen ist und bei Unklarheiten nachgefragt hat. Uns ärgert, dass niemand trotz wiederholter Gesprächsangebote gemeinsam nach Lösungen gesucht hat.
Uns erschreckt, dass bis heute wesentliche Teile des Konzeptes von vielen von Ihnen nicht verstanden wurde. Dies wird darin sichtbar, dass das Projekt immer wieder auf ein "soziales Zentrum" reduziert wurde und wird. Miteinander reden und zuhören hätte geholfen und genau das hätten wir von Ihnen erwartet!

Als Kirchenvorstand und Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Murnau ist uns der Zusammenhalt der Gesellschaft ein sehr großes Anliegen. Besonders in diesen schwierigen Zeiten. Vernetzung war Ziel und Zweck unseres Engagements für das Bürgerhaus über Jahre hinweg: Menschen unterschiedlicher Generation, Berufe, gesellschaftlicher Schichten, Weltanschauungen kamen zusammen und haben engagiert gearbeitet, um ein Konzept für einen Ort zu schaffen, an dem Gemeinschaft, Demokratie und soziale Unterstützung gelebt wird. An dem Jugendliche sein und feiern dürfen. An dem alte Menschen einen Anlaufpunkt haben. An dem Einheimische und Touristen, Kranke wie Gesunde zusammenkommen. Es wäre viel mehr als ein soziales Zentrum geworden, wie Sie es für das Kemmelgelände visionieren. Es wäre ein Herzensort geworden, an dem Menschen zusammenfinden und an den bereits viele Bürgerinnen und Bürger geglaubt haben.

Vielleicht sind wir ja Träumer oder Idealisten. Aber das wäre unsere Vorstellung von Politik, Demokratie und gemeinsamer Verantwortung. Können Sie das nachvollziehen?

Es erinnert an einen schlecht geführten Betrieb, wenn man viele Menschen über so lange Zeit an einem Projekt arbeiten lässt, sich regelmäßig Bericht erstatten lässt und das Projekt am Ende "in der Schublade" verschwindet. So geht Demotivation! Ist Ihnen überhaupt aufgefallen, dass vom Gemeinderat trotz des großen Engagements kein Wort des Dankes oder der Wertschätzung gegenüber den Initiatoren ausgesprochen wurde?

Juristisch mögen Sie korrekt gehandelt haben. Demokratische Prozesse haben Sie zumindest dem Buchstaben nach erfüllt. Moralisch und emotional haben Sie leider viele engagierte Menschen verprellt, und nebenbei auch langjährig erfahrenen und verdienten sozialen Trägern wie Caritas, Diakonie, Brücke Oberland, SKF, KJE und Murmel das Misstrauen ausgesprochen ("Das Finanzierungskonzept überzeugt mich nicht.") Glauben Sie tatsächlich, dass Sie langfristig den Markt Murnau ohne das Engagement dieser Menschen und Institutionen weiterentwickeln können? Die Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht schaffen kann. Wohl aber schwächen oder gar zerstören.

Nachdem vollendete Tatsachen geschaffen wurden, unterbreiten Sie, Herr Bürgermeister, nun ein Gesprächsangebot. Mit Verlaub: Das ist ... zu spät. Mit einem Gleichnis gesprochen: Viele Menschen sitzen in einem Schlauchboot, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Ohne Vorwarnung zieht jemand den Stöpsel und lässt die Luft heraus. Vom Ufer ruft er: "Kommt zu uns, wir wollen mit Euch reden - mein Gesprächsangebot gilt." So funktioniert das nicht. Man muss sich erst darum kümmern, dass die Gruppe im Schlauchboot die Voraussetzungen für ein Gespräch hat.

Sie als Bürgermeister haben gemeinsam mit der Mehrheit des Gemeinderats vielen privat, sozial, kirchlich und gesellschaftlich engagierten Ehrenamtlichen die Luft abgelassen. Sie - nicht die Initiative! - haben nun die dringende Aufgabe, Lösungen zu finden, damit Murnau dieses Rückgrat nicht wegbricht. Lösungen, durch die Enttäuschungen überwunden werden, damit die Initiative Würdigung und Wertschätzung erfährt, und nicht als lästige Gegnerin gesehen wird. Wir wünschen Ihnen dazu die richtigen Worte, Gesten und Entscheidungen.

Die Mitglieder des Kirchenvorstandes der
Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Murnau